Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die Menschen immer älter werden. Zumindest in Deutschland stimmt das nicht, hier hat sich die Tendenz zu immer älter werdenden Leuten umgekehrt. „Wie alt werde ich?“, ist jetzt eine berechtigte Frage.
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Wie alt werde ich: Spätere Generationen sterben früher
Um zuerst etwas Gutes zu nennen: Die Menschen in Deutschland erreichen heute ein höheres Lebensalter als noch vor einigen Jahren. Die Verbesserungen in der gesundheitlichen und medizinischen Versorgung sowie das gesteigerte persönliche Engagement haben dazu beigetragen.
Die Sterbewahrscheinlichkeit der Menschen wird mithilfe einer Skala von 0 bis 1 ermittelt. Diese zeigt das Risiko, in einem bestimmten Jahr des Lebens zu sterben, an. Diese Wahrscheinlichkeit offenbart einen Trend, den die Forscher längst erkannt haben: Die Menschen in Deutschland werden nicht mehr so alt.
Forscher setzen die Lebenden ins Verhältnis zu den Sterbefällen, wobei immer ein Jahrgang herangezogen wird. Daraus werden Sterbetafeln erstellt. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, eine Prognose über die Lebenserwartung der Menschen zu erstellen. Damit wiederum wird deutlich, dass eine höhere Lebenserwartung auch zu einem höheren Sterberisiko führt.
Künftig werden die Männer älter als Frauen
Die Forscher der Londoner Bayes Business School haben herausgefunden, dass die Sterbewahrscheinlichkeit heute größer ist als vor einigen Jahrzehnten. Sie untersuchten die Sterberaten der Menschen zwischen 50 und 95 Jahren aus 21 Ländern mit hohem Einkommen. Der zugrunde liegende Zeitraum betrug 50 Jahre und reichte von 1960 bis 2010.
Auch wenn sich die Sterbewahrscheinlichkeit bei Frauen und Männern gleichermaßen verbessert hat, so ist doch ein Rückgang dieser Wahrscheinlichkeit zu sehen. In den Jahren 1991 bis 2000 sank die Sterbewahrscheinlichkeit bei Frauen um 2,4 Prozent, im Zeitraum 2011 bis 2017 jedoch nur noch um ein Prozent. Bei Männern wurde in den gleichen Zeiträumen von einer Verbesserung ausgegangen, die von 2,2 auf 1,23 Prozent sank.
Mit Platz 18 für die Frauen und Platz 20 bei den Männern hat sich Deutschland nicht mit Ruhm bekleckert, was die Verbesserungsrate der Sterbewahrscheinlichkeit angeht. Taiwan und Großbritannien schnitten allerdings ähnlich schlecht ab. Die Lebensverhältnisse sind jedoch in allen Ländern gut.
Wer sich fragt: „Wie alt werde ich?“, muss mit den unschönen Ergebnissen der Studie der Bayes Business School zum Rückgang der verbesserten Sterbewahrscheinlichkeit leben. Zur Studie wurde Professor Steven Haberman befragt, der an der Schule Versicherungsmathematik lehrt. Er ist der Meinung, dass sich hier ein alarmierender Trend abzeichne, der unter anderem in dem zu schnell angehobenen Rentenalter begründet sein könnte.
Erste Auswertungen zu den Sterbefällen 2023
Grippe- und Coronawelle hatten vor Silvester 2022 ihren Höhepunkt und damit im Januar 2023 bereits an Schrecken verloren. Dennoch lag die Zahl der Sterbefälle in diesem Monat besonders hoch. Rund 13 Prozent mehr Sterbefälle wurden gegenüber dem jeweiligen Januar in den Jahren 2019 bis 2022 errechnet. Vor allem die erste Januarwoche ging mit zahlreichen Toten einher, die Sterbefallzahlen waren etwa 26 Prozent höher als der Median der vergangenen Jahre. Danach ging die Zahl zurück, doch zwischen der vierten und der siebten Kalenderwoche betrug sie immer noch zwei bis vier Prozent mehr als im Vergleichszeitraum.
Können Sozialfaktoren und Volkskrankheiten Menschen schneller sterben lassen?
Die erschreckenden Todeszahlen lassen sich unter anderem mit den sich ausbreitenden Volkskrankheiten erklären. Adipositas und Fettsucht, Demenz und Alzheimer als begünstigende Faktoren sowie die Nikotinsucht sind als große Verursacher hoher Sterbezahlen zu nennen. Hinzu kommen Forschern zufolge sozioökonomische Faktoren: Menschen mit einem geringen Einkommen und geringem Bildungsgrad haben eine höhere Sterblichkeit. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander und mit ihr auch die Sterberaten beider Bevölkerungsgruppen. Die höhere Sterblichkeit der einen Gruppe sorgt aber dafür, dass die Gesamtsterblichkeit der Bevölkerung steigt.
Der Leiter der Forschungsgruppe Mortalität am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung geht davon aus, dass es in Deutschland einen Langlebigkeitsnachteil durch Menschen über 55 Jahre gibt. Pavel Grigoriev ist der Meinung, dass Deutschland eine Gesundheitskluft überbrücken müsse, die sich zwischen der Bundesrepublik und anderen Industriestaaten aufgetan habe.
Trotz der starken Wirtschaft, des gut ausgestatteten Gesundheitssystems und dem System der Sozialversicherung schneidet Deutschland im internationalen Vergleich schlecht in Bezug auf die Sterblichkeitsraten ab. Warum das so ist, können sich die Forscher bislang nicht recht erklären. Grigoriev geht davon aus, dass unter anderem die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankten mit hineinspielt, die in Deutschland besonders hoch ist. Er ist der Meinung, dass die Krankheitsprävention zu wenig vorangetrieben wird und dass die medizinische Grundversorgung in Deutschland immer noch mangelhaft ist.